Ich warte und warte, jeder Tag zieht sich ins unermessliche und wird zudem unbequemer und unbequemer, was soll denn erst sein, wenn der eigentliche Tag der Prüfung durch den Gutachter gekommen ist?
Falle ich dann wie ein Wolfsschaf in Schockstarre?
Jeden Tag der gleiche Gedanke. Bis nun endlich der Termin anklopfte, in Form von einem Anruf, er finde das Haus / die Wohnung nicht.
Darauf ich:
Ich werde mich von meinem Zivildienstleistenden aus der Wohnung begleiten lassen und Sie dann an der Straße in Empfang nehmen.
Getan gesagt, ich rollte ihm entgegen und wir trafen uns an der Straße.
Abgeholt und wieder in meiner Wohnung, frug mein damaliger Zivi, ob er etwas trinken wolle. Trotz des netten Angebotes lehnte der Gutachter die Einladung zum Trinken ab. Doch ich, in meiner Aufregung verlangte von meinem Zivi stets und ständig ein Glas zu trinken. Neben mir saß ein enger Vertrauter.
Er schaute mir tief in die Augen, um mir mitzuteilen, dass ich mich nicht verrückt machen solle und neutral bzw. gelassen den Fragen entgegenstand. Während der Anwesenheit des Gutachtens oder besser gesagt, während der Befragung des Gutachters wurden mir Äußerungen zum Leben – aus den Rippen geleiert:
- wie oft ich aufs Klo gehen möchte?
- wie oft ich etwas essen werde?
- wie oft ich was auch immer tun möchte!?!?!?
In fast allen Antworten, die eine Angabe von dem – wie viel man möchte, habe ich immer eine Gegenfrage gestellt, in der ich den Gutachter gefragt habe – wie oft ER …?
Auf eine solche Anfrage oder Bitte, ihm dieses zu beantworten – wurde dem Gutachter klar, dass ich nichts übrig habe, meinen Tag nach dem Muster „wie viel ich denn haben möchte“ auszuführen würde. Natürlich kann ich IHN in irgendeiner Weise verstehen, dass die Gutachter des LWLs in etwa erfahren müssen, wie oft ich etwas tue, um mich für einen gewissen Stundensatz am Tag einzustufen. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass man seinen Tag ob behindert oder nicht behindert – nicht nach einem Schema F ablaufen lassen kann. Als Tipp habe ich Ihnen erzählt, dass es Tage gibt an denen ich 4 l trinke oder auch nur anderthalb Liter trinke. Dann gibt es wiederum Tage an denen ich fünfmal ein Essen zu mir nehme oder gar vielleicht nur einmal ein Essen zu mir nehme. All solche unterschiedlichen Abläufe eines Tages machen es schwierig ein sogenanntes Schema F stupide durchzuführen. Außerdem erklärte ich ihm, dass nicht nur meine körperlichen Einschränkungen unterstützt werden müssen, sondern auch Hilfestellungen im Haushalt, kulturellen Unternehmungen oder beruflichen Werdegängen vonnöten seien. Der Herr… vom LWL verließ mich ungefähr zweieinhalb Stunden später und ich bin stumm mit meinen Bekannten am Wohnzimmertisch sitzen geblieben. Erst etwa 15 Minuten später oder vielleicht sogar eine halbe Stunde später konnte ich meinem Kumpel einige seiner Überlegungen und Fragen beantworten. Hierbei machte er deutlich, dass ich mich auf jeden Fall soweit es geht gut ausgedrückt habe und er es bezweifeln würde, dass mir dieser Gutachter einen zu niedrigen Stundensatz pro Tag bewilligen wird.
Rein theoretisch hätte es ausgereicht, dass das Gutachten der AOK bzw. des MDKs als Referenz der Beurteilung. Denn schon in diesem Gutachten der AOK ist festgehalten, dass ich aufgrund meiner Behinderung nicht in der Lage bin, irgendeine Situation im Leben ohne Unterstützung zu meistern. Sei es das Öffnen einer Banane und das dazugehörige Essen – dieser Banane.
Oder etwas Wichtigeres wie Trinken, hierbei bin ich so eingeschränkte in meiner Selbstständigkeit, dass ich wie in der Wüste bei Durst – mir vorstellen kann – vor mir wäre ein Glas frisches und zu gleich kaltes Wasser. Aber selbst hätte ich nicht die Chance das frische Etwas zu genießen; geschweige in meinen Hals kippen zu können. Auch möchte ich an dieser Stelle erwähnen, viele meiner anderen Bedürfnisse werden wohl zukünftig auch immer mehr einer Einschränkung unterliegen. Wie sagt der Volksmund so schön – wir werden alle nicht jünger. Das hat zur Folge, dass mein Dasein um meine bislang gelernte Selbstständigkeit immer weiter proportional weniger wird. Das diese Einschränkung mein Leben bestimmen wird, somit bin ich absolut realistisch und schätze in den nächsten fünf Jahren – vielleicht auch nur drei Jahren – meine bis dato umgesetzte Selbstständigkeiten – abhandenkommen wird. Um dass alles etwas konkreter zu gestalten – mache ich in diesem Augenblick einen Exkurs.
Es ist schon traurig, wenn man am Fenster sitzt und sich mithilfe einer Spracherkennungssoftware den Text aus dem Kopf quetscht, weil schon an dieser Stelle zu bemerken ist, dass ich noch vor Jahren ohne Probleme einen Text auf dem Computer verfassen konnte. Doch leider bemerke ich heute schon, wie schwer es ist Texte und andere Mitschrift in den PC zu hämmern. Sicherlich ist es auch enorm praktisch und schöne diese Funktionalität der Spracherkennungssoftware beim Arbeiten zu nutzen, aber es ist eine schwierige Denksportaufgabe – einen Text so zu sprechen, wie man ihn tippen würde.
Nun ja, alles Jammern hilft nichts und aus diesem Grund möchte ich mich dem nächsten Kapitel widmen.